Die Untersuchung von Protesten seit Beginn dieses Jahrzehnts bietet eine Möglichkeit, die neue Vielschichtigkeit der Weltpolitik aufzuzeigen, denn die mannigfachen Bekundungen von Widerspruch verweisen auf gesellschaftliche, politische und technologische Veränderungen. Protest wird in diesem Projekt daher als „zusammenhängendes Phänomen“[1] verstanden, für das die Autorinnen und Autoren in ihren Beiträgen eine je eigene, dem jeweiligen Kontext angemessene Sichtweise entwickeln. Ziel ist demnach nicht, eine einheitliche Definition für das Phänomen der hier behandelten »urbanen Protestbewegungen« zu präsentieren. Stattdessen werden die betreffenden Protestsituationen kontextualisiert und verschiedene Aspekte der neuen Vielschichtigkeit herausgearbeitet. Dabei liegen die Schwerpunkte auf drei Kontexten des Protests. So wird das Verhältnis von Protest und Politik unter die Lupe genommen, etwa die Veränderung der politischen Artikulation oder das Aufbrechen traditioneller Kategorien der Politik wie die Unterscheidung zwischen nationaler, regionaler und globaler Ebene. Weiterhin gilt das Augenmerk dem Zusammenhang von Protest und Raum. Hier richtet sich der Blick auf die Aneignung und Verengung des öffentlichen Raumes sowie die Parallelität privater, öffentlicher, physischer und digitaler Räume. Ebenfalls beleuchtet wird die Verbindung von Protest und digitaler Medialität, zum Beispiel die Nutzung und Bedeutung sozialer Medien. Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass die Begriffe Politik, Raum und Medialität sich aufeinander beziehen und nicht bloß einzeln betrachtet werden können.[2]
Die oftmals starren räumlichen Unterscheidungen werden immer brüchiger. In der internationalen Politik gilt das vor allem für die Unterteilung zwischen dem Innen und dem Außen des Nationalstaates. Daraus erwachsen politische Probleme, denn in den Kategorien von Innen und Außen werden nicht nur die politischen Zuständigkeiten von Ministerien, Kommunal- und Stadtregierung, Polizei und Militär festgelegt, sondern auch der jeweils maßgebliche Rechtsraum, sei es nationales Recht, EU-Recht oder Völkerrecht. Eine Auseinandersetzung mit »Protesten in urbanen Räumen« offenbart, dass globale Phänomene häufig quer zu traditionellen Verortungen von Politik liegen. So können sie zu einem Thema in der Außenpolitik eines anderen Staates oder zwischen Staaten werden. Denkbar ist auch ein Übertragungseffekt vom unmittelbaren Kontext des Protestes in eine andere Sphäre der Politik, ob lokal, national, regional oder global. In der Humangeographie wird dies als »jumping of scale« bezeichnet.[3] Im Gegensatz zu einer klaren hierarchischen Differenzierung wird zunehmend betont, wie sehr die verschiedenen räumlichen Ebenen ineinandergreifen und aufeinander wirken. Bestimmte politische Ereignisse oder Handlungen wie etwa urbane Proteste bewegen sich daher oft auf mehreren »scales«.[4]
Eine weitere Innen-Außen-Unterscheidung innerhalb des Nationalstaates ist diejenige zwischen privaten und öffentlichen Räumen. Mit Blick auf das »Phänomen Protest« wäre diese Aufteilung ebenfalls zu überdenken. Sie ist nicht bloß administrativ, sondern ein Instrument, um das alltägliche Leben der Bürger und Bürgerinnen zu regeln. Anhand dieser Differenzierung wird auch formuliert, welche Belange politisch relevant und welche Privatsache sind. Politischer Protest kann nun als Ausdruck dafür gelesen werden, dass wichtige Anliegen von Gruppen der Zivilbevölkerung in der Politik nicht beachtet werden und Partizipation in ihrer Gestaltung versagt bleibt. So grundlegend wie Demokratien und Nicht-Demokratien unterscheiden sich daher auch Forderungen und Einsatz der jeweiligen Proteste. Dennoch geht es hier immer um die Berücksichtigung eines Anliegens und damit um die Teilnahme am politischen Prozess. Protestierende fordern den vorherrschenden Konsens heraus, indem sie Gegennarrative schaffen. Vielfach unterbrechen sie radikal den politischen Alltag, in dem bestimmte Belange und Positionen kaum mehr Platz haben, so dass diese erst mit Hilfe des Protestes wieder in Erscheinung treten können.[5] Proteste drängen in zweierlei Hinsicht in die Öffentlichkeit. Die Protestierenden kommunizieren ihr Anliegen und verlangen, dass darüber in der Sphäre der öffentlichen Entscheidungsfindung verhandelt wird. Dazu besetzen sie mit Demonstrationen oder Protestcamps öffentlichen, meist städtischen Raum und inszenieren damit einen Bruch in der gewohnten (und offensichtlich unwohnlichen) Ordnung. In der Praxis des Protestcamps, also der mehrtägigen oder gar mehrwöchigen Besetzung von Plätzen durch Zeltstädte mit eigener Infrastruktur, Organisation, Tagesabläufen und Ritualen, wird somit die ursprüngliche Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Raum selbst in Frage gestellt.
Proteste sind folglich ein Indikator dafür, dass der vorherrschende Konsens innerhalb einer Gesellschaft nicht mehr von allen geteilt wird. Sie machen existierende Brüche zwischen Politik und Gesellschaft sichtbar und verdeutlichen, dass „der öffentliche Raum der Ort [ist], an dem konfligierende Sichtweisen aufeinandertreffen“.[6] Proteste, vor allem die Aneignung der Straße oder öffentlicher Plätze, werfen die Frage auf, ob die Politik oder genauer die Regierung das Volk und seinen Willen noch ausreichend repräsentiert.[7] So nutzen Protestierende vorhandene physische wie digitale Räume, deren Bedeutung sie politisch umwidmen. An dieser Stelle wird klar, wie das »Phänomen Protest« beispielhaft die starren räumlichen Unterscheidungen der Politik aufbricht.
Politik ist also räumlich, aber diese Form der Räumlichkeit bezieht sich nicht auf ein immer schon gegebenes Gebiet. Raum ist nicht einfach der feststehende, materielle und bebaute Raum aus Erde, Straßen und Häuserwänden, der in seiner Bedeutung konstant bliebe. Vielmehr bildet er das Ergebnis der sozialen Praktiken seiner Nutzung, ist demnach hinsichtlich seiner Bedeutung ein soziokulturelles Produkt und damit wandelbar.[8] Dabei gilt es, die Räumlichkeit der Politik stets als Pluralität von Räumen zu begreifen. Regierungen, Parlamente oder Wahlen repräsentieren nur einen öffentlichen Raum. Parallel dazu können andere Öffentlichkeiten artikuliert und produziert werden.[9]
Protestierende haben sich immer schon technischer Hilfsmittel und Medien bedient, um sich zu organisieren und ihre Anliegen hör- und sichtbarer zu machen. Das Internet, soziale Medien und Smartphones erhöhen Geschwindigkeit und Effizienz solcher Abstimmungsprozesse und die Reichweite der gesendeten Botschaften. Doch wer soziale Medien lediglich als Werkzeuge der Planung und als Fortsetzung des Megafons oder des Protestplakats begreift, übersieht möglicherweise den qualitativen Unterschied, den diese Medien selbst innerhalb der kurzen Geschichte des Internets hervorgebracht haben: Soziale Medien „entstehen erst durch ihren Gebrauch“.[10] Sie sind beschreibbar, das heißt sie erlauben das Erstellen und Teilen von Medieninhalten, womit sie ein Archiv der gemeinsamen Nutzung erzeugen. Erst durch diesen Umstand entfaltet sich das Potential der prinzipiell ortsunabhängigen Verfügbarkeit und instantanen Zeitlichkeit dieser Medien. Auch ein weltweit gesendetes Live-Fernsehbild überschreitet räumliche Grenzen und überträgt das aktuelle Geschehen simultan, jedoch nur in einer Richtung und von Redaktionen klassischer Medien ausgewählt. Die Plattformen der sozialen Medien hingegen bieten Zugang zu einer softwarebasierten Infrastruktur, in deren Gebrauch die Inhalte erst entstehen, über die sich Nutzer weiter austauschen. Hieraus resultieren gestaltbare digitale Kommunikationsräume, die allen Internetnutzerinnen und ‑nutzern offenstehen und eine technologische Grundlage dafür schaffen, transnationale Öffentlichkeiten hervorzubringen.[11] Heutige Protestbewegungen greifen auf die Partizipationsmöglichkeiten der sozialen Medien zurück, wodurch sich eine Koproduktion von Protestraum und digitalem Kommunikationsraum ergibt: Das Teilen und Kommentieren von Bildern, Ikonographien, Memes, Manifesten, Berichten und Videos in Echtzeit ist keine bloße Abbildung, sondern Ausdruck des Protests, der sich erst in seiner medialen Vermittlung als solcher konstituieren kann.[12] Auf diese Weise werden Erfahrungen generiert und Verständigungsprozesse eingeleitet, die sich im Netz weiterentwickeln, um wiederum auf die reale Protestsituation im städtischen Raum und damit auf den Protestverlauf zurückzuwirken.[13] Personen, die nicht „vor Ort“ und dennoch Teil des Geschehens sind, erhalten so die Möglichkeit, an Debatten, Meinungsbildungsprozessen und Multiplikationseffekten teilzuhaben. Selbst wenn ein Protestcamp aufgelöst wurde und die Spuren der Raumaneignung beseitigt sind, haben sich diese Auseinandersetzungen im virtuellen Kommunikationsraum als digitale Erinnerungen sedimentiert, an die weltweit angeknüpft werden kann. Davon zeugt auch, dass sich Strategien und Symboliken zwischen unterschiedlichen Protestbewegungen schnell verbreiteten und umcodiert wurden.[14]
Immer mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Kunst, Populärkultur und dem Politischen.[15] Protestierende nutzen alltägliche Gegenstände, um Protesträume zu gestalten und Blockaden, Bühnen oder Versorgungszentren aufzubauen. Dabei schaffen sie oft ihre ureigene Form von Protestkunst, die über die klassische Funktionalität von Banner, Plakat oder Flugblatt hinausgeht. Dies geschieht zum Beispiel in jenem Moment, in dem der Aufbau einer Blockade mit dem privaten Smartphone gefilmt, mit Musik unterlegt und dann auf einer sozialen Plattform geteilt wird. Auch Farben, Symbole, Lieder oder Performance-Aktionen unterstreichen die Ästhetik von Protesten. Gleichzeitig inspirieren diese Protestaktivitäten andere Künstler und Künstlerinnen, die den Protest oder dessen Symbole daraufhin zum Thema ihrer eigenen Kunst und Kunstaktionen machen. Informationen zu Protesten und Protestbewegungen werden nicht nur über traditionelle Massenmedien und soziale Netzwerke verbreitet. Vielmehr dokumentiert Kunst die Proteste und informiert über sie auf jeweils spezielle Weise.[16] Wie Rancière richtig hervorhebt, zeigt sich hier, dass »es nicht auf der einen Seite die Politik und auf der anderen Seite den Künstler gibt, der sie illustrieren soll«.[17]
Die Proteste der letzten Jahre haben der Welt vor Augen geführt, dass Aspekte der Ästhetik, der Popkultur und des gelebten Alltags (low politics) verstärkt mit Fragen der Weltpolitik (high politics) zusammenwirken. Protestkunst bezieht visuelle Repräsentationen ein, die artikulieren und auf eine spezifische Art sichtbar machen, wie Menschen sich der Welt nähern und mit ihr interagieren. Sie charakterisieren „ein spezifisches Wissen über die Welt, das beeinflusst, wie die Welt verstanden wird und wie Dinge in ihr gemacht werden“.[18] Eine Politik des Alltäglichen (everyday politics)[19] ermöglicht daher den Blick auf neue Aspekte und Orte internationaler Politik, zum Beispiel durch eine Umwidmung alltäglicher Gebrauchsgegenstände und eine erweiterte Perspektive auf Literatur, Poesie, Musik, Film[20] oder Comics.[21] Mit dieser Sichtweise lässt sich die Vielschichtigkeit der Weltpolitik besser erfassen, ohne traditionelle Kategorien und Akteure der Politik auszublenden oder zu ersetzen. Wie sich im Falle der Proteste offenbart, fungiert eine Analyse des Alltäglichen vielmehr als Ergänzung, welche die Verknüpfungen zwischen globalen Phänomenen und alltäglichen Praktiken sichtbar macht.
Das Besondere der vielfältigen Protestbeispiele liegt darin, dass sich jede Analyse auf ihre Weise den Zusammenhang von Protest, Raum und Medialität erschließt. Die Autoren und Autorinnen setzen folglich ganz unterschiedliche Schwerpunkte. So wird es möglich, das Zusammenwirken einer Reihe neuer gesellschaftlicher, politischer und technologischer Entwicklungen sichtbar zu machen sowie mannigfache Auswirkungen der neuen Vielschichtigkeit in der Weltpolitik darzustellen.
Johannes Thimm beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der »#BlackLivesMatter-Bewegung« in den USA, die seit einigen Jahren das Internet nutzt, um sich für die Beendigung der Diskriminierung von Schwarzen durch staatliche Institutionen und gesellschaftliche Strukturen einzusetzen. Mit ihren Darstellungen und Kampagnen in den sozialen Medien hat #BlackLivesMatter die Vorstellung, es gebe bereits eine etablierte postrassistische amerikanische Gesellschaft, nachdrücklich in Frage gestellt. Thimm konzentriert sich vorrangig auf die Verknüpfung und Wechselwirkung von physischem Protest, etwa Blockaden oder Demonstrationen, mit digitalen Protestaktionen, zum Beispiel der schnelleren Verbreitung von Videos über die Plattform Twitter. Zwei Aspekte werden in der Analyse besonders deutlich. Erstens zeigt Thimm, dass digitale Medien erst durch ihre tatsächliche Nutzung politische Bedeutung erhalten und erzeugen. Bei #BlackLivesMatter geht es in erster Linie darum, Polizeigewalt gegenüber Schwarzen zu dokumentieren und diese Dokumentation zu verbreiten. Zweitens steht die #BlackLivesMatter-Bewegung, indem sie digitale Medien nutzt, nicht nur exemplarisch für eine neuartige Form des Protests. Darüber hinaus schafft sie einen neuen, virtuellen Raum politischer Artikulation, auf den weltweit zugegriffen werden kann und der parallel zu den bereits traditionellen politischen Räumen existiert. [zum Beitrag]
Claudia Zilla und Philipp Wesche analysieren die mehr als vierzehnjährige Geschichte des argentinisch-uruguayischen Konflikts um den Bau von Zellstofffabriken am Río Uruguay. Ungewöhnlich ist, dass ein lokal begrenzter Umweltprotest in der argentinischen Grenzprovinz Entre Ríos das bilaterale Verhältnis der Nachbarstaaten Argentinien und Uruguay jahrelang beherrschen konnte und später sogar internationale Organisationen beschäftigte, bevor der Streit am Internationalen Gerichtshof in Den Haag verhandelt wurde. An diesem Protest lassen sich Folgen und Wechselwirkungen der verschiedenen »scales«, ob lokal, national, regional oder global, besonders gut illustrieren. So legen Zilla und Wesche nicht nur dar, wann argentinische Regierungen das politische Anliegen der Protestierenden unterstützten und wann nicht, sondern auch, wie sich die politische Bedeutung des Protests im nationalen Diskurs über diesen langen Zeitraum verändert hat. Dabei sei die Aneignung des lokalen Raums, das heißt der Straßen oder Brücken, ein wirkmächtiges Symbol, das dafür gesorgt habe, dass sich die mediale Aufmerksamkeit dauerhaft auf das Anliegen der Protestierenden richtete. Auch sei diese Aneignung als wiederkehrendes Druckmittel der Protestierenden in der Tradition der Piquete (Streikposten) in Argentinien zu betrachten. Zilla und Wesche beschreiben ausführlich Bestimmungsfaktoren und Effekte im Kampf um öffentlichen Raum und bei der Politisierung der globalen Straße. Im Gegensatz zu den anderen Protestbeispielen war der argentinisch-uruguayische Konflikt bereits entstanden, bevor digitale Medien wie Facebook oder Twitter sich gesellschaftlich durchsetzten. Im Gesamtkontext der Studie ist es vor allem Zillas und Wesches Analyse, die deutlich macht, inwiefern die Digitalisierung das »Phänomen Protest« verändert hat. [zum Beitrag]
Nadine Godehardt befasst sich mit der Hongkonger Regenschirmbewegung. Von Ende September bis Mitte Dezember 2014 besetzten die Protestierenden unter anderem die Connaught Road im Ortsteil Admiralty, eine der Hauptverkehrsadern auf Hongkong Island. Sie verläuft in unmittelbarer Nähe der wichtigsten Regierungsgebäude sowie des Hauptquartiers der chinesischen Volksbefreiungsarmee. Anlass des Protestes war die Enttäuschung darüber, dass Peking eine allgemeine Direktwahl von Hongkongs Regierungschef ablehnte, die eine öffentliche Nominierung von Kandidatinnen und Kandidaten vorsah. Godehardt geht besonders auf das spezifische Design der Hongkonger Proteste ein. Sie legt dar, mit welchen alltäglichen, praktischen oder künstlerischen Mitteln die Protestierenden ihr politisches Anliegen in der Aneignung und Umgestaltung des öffentlichen Raumes sichtbar gemacht haben. Hier arbeitet die Autorin vor allem die Verschränkung von Kunst und Protest heraus und verweist damit beispielhaft auf das Zusammenwirken von Ästhetik und Weltpolitik. [zum Beitrag]
Mareike Transfeld setzt sich mit dem bis heute anhaltenden Konflikt um die nationalstaatliche Legitimität im Jemen auseinander. Dabei legt sie einen Schwerpunkt auf die Aktivitäten der Huthi-Bewegung seit der Wahl von Präsident Hadi im Februar 2012. Besondere Aufmerksamkeit widmet sie dem Kampf um die Hauptstadt Sanaa, die als Symbol für den Kampf um die nationalstaatliche Legitimität gilt. Transfelds Beitrag verdeutlicht, dass die Übergänge zwischen Protest- und Aufstandsbewegung, zwischen dem Streben nach Partizipation und dem Kampf um Vorherrschaft oftmals fließend sind. Ein weiterer Schwerpunkt der Betrachtung liegt auf der Facebook-Kommunikation verschiedener Akteure. Dort äußern sich Bürger und Bürgerinnen sowie einzelne Persönlichkeiten ebenso wie Aktivisten und Aktivistinnen oder Regierungsvertreterinnen und -vertreter. Das Spektrum reicht von allgemeinen Kommentaren zum Konflikt zwischen Huthi-Bewegung und Hadi-Regierung über die Dokumentation von Protesterfolgen der Huthis in Sanaa bis zu offiziellen Dekreten der jemenitischen Regierung. Facebook wird entschlossen als Ort der Auseinandersetzung von Staatsöffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit genutzt. Ohne Analyse der Beiträge auf dieser digitalen Plattform, so Transfeld, sei die diskursive Komplexität der Konfliktsituation im Jemen nicht vollständig zu erfassen. [zum Beitrag]
Gitta Lauster thematisiert die Proteste in der Türkei, die von Mai bis August 2013 stattfanden – zunächst im Gezi-Park, später auf dem angrenzenden Taksim-Platz und anderen öffentlichen Plätzen Istanbuls. Lauster unterstreicht, dass die geplante komplette Umgestaltung und Bebauung des Gezi-Parks nur der Endpunkt eines jahrzehntelangen Streits zwischen Stadtbevölkerung und Regierung um die Nutzung öffentlichen Raums in der Innenstadt wäre. Darüber hinaus habe der Protest, der zunächst gegen die kapitalistisch orientierte Stadtplanungspolitik gerichtet war, sich zu einem Sammelbecken für Kritik an der Regierung Erdoğan ausgeweitet. Anschaulich wird hier dargestellt, wie häufig sowohl Protestierende als auch Regierung den öffentlichen Raum in seiner politischen Bedeutung umwidmeten. [zum Beitrag]
Nina-Kathrin Wienkoop untersucht die Proteste, die sich im Vorfeld der Präsidentschaftswahl von 2012 im Senegal erhoben. Der Fokus ihrer Analyse liegt dabei auf der Protestbewegung Y’en a marre (»Jetzt reicht’s«), die sich im Januar 2011 als Reaktion auf die zahllosen Stromausfälle in den Vororten Dakars gegründet hatte. Y’en a marre habe, so Wienkoop, das lokale Thema der wirtschaftlichen Missstände erfolgreich mit der verfassungswidrigen Kandidatur des Präsidenten Abdoulaye Wade im Jahr 2012 verbunden und auf diese Weise die Jugend mobilisiert. In diesem Kontext diskutiert Wienkoop das Zusammenwirken verschiedener Elemente des Protests, denn trotz eines lokalen Ausgangspunkts ging es Y’en a marre auch darum, internationale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Wichtig dabei war die physische Präsenz der Protestbewegung im Stadtzentrum von Dakar. Da dort multinationale Konzerne, internationale Organisationen und Medien ihre Niederlassungen haben, erhöhen Aktionen an diesen Orten sowohl die nationale als auch die internationale Sichtbarkeit. Die Protestierenden nutzten digitale Medien nicht nur, um den Protest zu dokumentieren. Sie wollten damit auch einen audiovisuellen Protestraum schaffen, indem sie politische Songs und Videos der innovativen Widerstandsaktionen verbreiteten. [zum Beitrag]
Katrin Bury
Assistentin des stellvertretenden Direktors
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